Offenbar will YouTube genau das verhindern und hat am Algorithmus gedreht. Viele YouTube Stars schreien nun laut auf, weil YouTube ihre „Karriere killen will“.

Den Ablauf der Geschichte kennt man vom Privatfernsehen. Zunächst als etwas völlig Neues gestartet, das alles anders machen will als die etablierten, öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und das am Anfang auch durchaus schaffte, entwickelten sie die Privaten ganz schnell zur Abspielstation von TrashTV und seichter Unterhaltung. Eine Entwicklung, die offenbar unausweichlich ist und nun auch YouTube treffen könnte.

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Profit gegen Qualität

Private Sender leben von Werbeeinnahmen, wie die allermeisten professionellen Webseiten im übrigen auch. Diese Sender haben nicht das Ruhekissen namens GEZ-Gebühr, sie müssen ihr Programm in echte Euro ummünzen. Das schaffen sie am besten, wenn möglichst viele Zuschauer das Programm ansehen. Mehr Zuschauer bedeutet mehr Werbeeinnahmen, so einfach ist die Formel.

Zu Hochzeiten der Formel 1 in Deutschland konnte RTL beispielsweise Preise von 30.000 € für das einmalige Zeigen eines Werbespots in der Länge von 30 Sekunden verlangen. Bei mehrfachen 5 Minuten-Werbepausen pro Renn-Übertragung kann man sich ausrechnen, wieviel Geld RTL damit eingenommen hat, ganz einfach, weil viele Leute das RTL Programm angesehen haben.

Deshalb sind alle privaten Fernsehsender bemüht, möglichst viele Zuschauer vor die Bildschirme zu locken. Zumindest diejenigen bis zu 6.000, die eine der sogenannten Zählboxen an ihrem TV-Gerät betreiben. Die Ermittlung der Fernsehquoten ist nämlich etwas komplizierter, aber das ist ein anderes Thema.

Fakt ist jedenfalls, daß die privaten Sender schon lange meinen, erkannt zu haben, was der Masse gefällt. Und genau das Programm wird von ihnen gesendet. Wenn sich also viele Zuschauer über das niedrige Niveau des Fernsehprogramms aufregen, dann ist das ziemlich schizophren. Die Privaten senden genau das, was die meisten Zuschauer verspricht, und wenn es AssiTV am Nachmittag sein muß. Die Entscheidung Profit gegen Qualität wird bei privaten Sendern immer zugunsten des Profits ausfallen (müssen).

Qualität bei YouTube

Die gleiche Entwicklung wie bei den privaten Fernsehsendern ist auch bei YouTube zu beobachten. Zunächst startete man als völlig neues Medium, das vieles anders macht. Die Tatsache, daß es bei YouTube kein starres „Fernsehprogramm“ mit festgelegten Sendezeiten gibt, dürfte nicht zuletzt zum großen Erfolg beigetragen haben. Auch die verfügbaren Videos waren in der Mehrzahl interessant, spannend, neu oder witzig, auf jeden Fall aber anders.

Irgendwann entdecken jedoch ein paar Leute, daß man mit YouTube Videos Geld verdienen kann. Und das mit relativ wenig Aufwand und noch viel weniger Kosten. Die ersten „YouTube Stars“ waren geboren. Dies wiederum brachte die ersten Agenturen auf den Plan, die sich nun intensiv mit der Vermarktung dieser Stars und ihrer Kanäle beschäftigten. Goldgräberstimmung lag in der Luft.

Doch Gold lockt bekanntlich zahllose Glücksritter an und so wuchs die Zahl der Kanäle auf YouTube rasant an. Zunächst wuchs auch die Anzahl der Zuschauer mit, so daß für alle vom großen Kuchen ein ordentliches Stück übrig blieb.

Dieser Trend ließ irgendwann nach. Immer mehr YouTuber mußten sich die nicht mehr so stark anwachsende Masse an Zuschauern teilen. Da heißt es auffallen, um nicht unterzugehen. Denn weniger Aufmerksamkeit = weniger Aufrufe bedeutet direkt weniger Einnahmen durch eingeblendete Werbung, und – was noch viel schlimmer ist – weniger profitable Werbeverträge von Unternehmen für die in den Videos verbreitete (Schleich)Werbung.

Der Ausweg für viele YouTuber war deshalb klar und absolut vorhersehbar: Produziere Videos, die offensichtlich viele YouTube Nutzer sehen wollen. Produziere AssiTV!
Nur deshalb brüllen jeden YouTube Besucher heute direkt auf der Startseite hauptsächlich Videos an, deren geistige Tiefe man auch nachmittags auf einem der vielen privaten Fernsehsender erleben kann.

Eine BeSCHANDsaufnahme

Diese Entwicklung von YouTube und die Entwicklung des Niveaus hat der YouTuber Behaind in seinem Video mit dem vielsagenden Titel „YouTube – Eine BeSCHANDsaufnahme“ sehr schön zusammengefaßt:

Quelle: YouTube

Will YouTube jetzt die „Stars“ killen?

In den letzten Tagen hat sich jedoch etwas auf YouTube bewegt. An vielen Stellen kann man plötzlich Videos bzw. deren Thumbnails sehen, die da heißen:

„YouTube will mich killen!“

„YouTube läßt meinen Kanal sterben!“

„Meine YouTube Karriere ist zu Ende!“

„Die wollen mich töten!“

Gefühlt jeder zweite YouTuber hat ein Video gemacht, in dem er oder sie von einbrechenden Zugriffszahlen berichtet. Der Grund für die schlechten Zahlen ist von diesen Video-Produzenten schnell ausgemacht: YouTube schlägt die Videos dieser YouTuber nicht mehr so häufig anderen YouTube-Nutzern vor.

Da meisten der Zugriffe über die Videovorschläge auf der YouTube-Seite kommen, werden diese Videos einfach nicht mehr so häufig angeklickt. Auf die eigenen Abonnenten, die oft 6-stellig sind oder sogar darüber hinaus gehen, können die betroffenen YouTuber offensichtlich nicht zählen, sonst würden ihre Videos auch weiterhin zahlreich angesehen. Da sie stattdessen hauptsächlich von den Videovorschlägen auf der YouTube-Seite gelebt haben, brechen nur ihre Zugriffszahlen ein.

KuchenTV erklärt das etwas langatmig in diesem Video:

Quelle: YouTube

Geänderter Algorithmus

YouTube hat offensichtlich etwas am Algorithmus geändert. Ob vorsätzlich oder aus Zufall, sei einmal dahingestellt, denn es gibt Hinweise auf mögliche Bugs in Bezug auf die Zahl der Views, der abgegebenen Kommentare und die Abobox.

Man kann jedoch nur hoffen, daß es die volle Absicht von YouTube war, solche Trash-Videos nicht mehr über Gebühr auf der Plattform zu promoten. AssiTV schadet nämlich am Ende allen anderen Video-Prozenten und Kanälen auf YouTube. Wenn die User beginnen, sich angeekelt abzuwenden, weil auf YouTube nur dümmlicher, mit (Schleich)Werbung durchsetzter Inhalt zu finden ist, dann bedeutet das höchste Gefahr für die Plattform.

YouTube & die Zukunft

Vielleicht will YouTube diesen Trend nun stoppen und würde sich damit genau in die richtige Richtung bewegen. Mehr Qualität statt TrashVideos, und damit am Ende auch mehr Einnahmen. Nur das kann der richtige Weg sein, damit YouTube nicht als weiteres AssiTV endet.

Es gibt jedoch einige YouTuber, die meinen beobachtet zu haben, daß nur noch die reißerischen, Clickbait Videos von YouTube vorgeschlagen und damit gepusht werden. Das wäre natürlich genau das Gegenteil vom dem, was für die Steigerung der Qualität auf YouTube angesagt wäre. Damit würde sich YouTube selbst ins Knie schießen. Man darf nun gespannt sein, in welche Richtung YouTube gehen will, die nächsten Wochen und Monate werden es zeigen.

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